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Wie gehe ich mit übergriffigen Kindern und Jugendlichen um?

In den ambulanten Hilfen können Sie im Rahmen einer Hilfe auch mit sexualisierter Gewalt durch Kinder, speziell innerhalb der Familie durch Geschwisterkinder (leibliche wie nicht-leibliche), konfrontiert werden.

Sie müssen abklären, ob ein Verbleib der Kinder in der Familie möglich ist, ein Schutz vor weiteren Übergriffen gewährleistet werden kann und für beide Kinder entsprechende beraterische und/oder therapeutische Unterstützung sichergestellt werden kann. Das heißt, sie müssen im Rahmen einer Gefährdungseinschätzung (dies wird ohne ein Netzwerk und die Einbeziehung von Expert_innen in der Regel nicht möglich sein) die Form und die Schwere der Übergriffe analysieren und daraus ihr weiteres Handeln ableiten. Nicht in jedem Fall ist eine Trennung der Kinder, und damit in der Regel für mindestens ein Kind auch eine Trennung von der Herkunftsfamilie, unbedingt nötig. Allerdings kann dies auch nicht ausgeschlossen werden und wenn sie zu der Einschätzung kommen, dass eine Gefährdung mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht abgewendet werden kann, müssen sie im Rahmen des §8a SGB VIII handeln und das Jugendamt informieren. Wenn Sie mit den Eltern sprechen, denken Sie daran, diese sind sowohl die Eltern des betroffenen wie des übergriffigen Kindes und sind mit beiden emotional verbunden.

Beachten Sie folgende Punkte:

  • Die Arbeit mit sexuell übergriffigen Kindern ist für diese Kinder wichtig und nicht nur für den Schutz anderer Kinder. Auch übergriffige Kinder haben ein Recht auf Hilfe.
  • Differenzieren Sie zwischen dem Übergriff (klare Ablehnung der Tat) und dem Kind als Person (Respekt und Annahme als Mensch mit Bedürfnissen).
  • Gehen Sie nicht davon aus, dass das Kind sofort motiviert ist etwas zu ändern und an seinem Verhalten zu arbeiten. Je weniger Motivation es zeigt, umso mehr pädagogischer/erzieherischer Einsatz ist nötig.
  • Stellen Sie einen Kontakt zu einer Beratungsstelle oder therapeutischen Einrichtung her, die auf die Arbeit mit übergriffigen Kindern spezialisiert ist.
  • Für Zwang und Kontrolle gilt: so viel wie nötig, so wenig wie möglich.
  • Ebenso wie für betroffene Kinder gilt (siehe oben), fokussieren Sie nicht nur auf das übergriffige Verhalten, auch übergriffige Kinder haben Bedürfnisse oder brauchen Unterstützung in anderen Bereichen.
  • Übergriffige Kinder können durch sexualpädagogische Angebote unterstützt werden, ihr Verhalten zu reflektieren und zu ändern.
  • Bedenken Sie auch folgendes: ein aufgrund von Überforderung oder Ablehnung der Eltern und/oder des Helfersystems vorgenommenes „Abschieben“ eines übergriffigen Kindes aus der Familie in eine stationäre Einrichtung, die nicht über die entsprechende pädagogische und/oder therapeutische Kompetenz verfügt, wird der Verantwortung im Rahmen des Kindeswohls nicht gerecht.

Literatur:

Allerleirauh e.V. (Hrsg.) (2013): Zur Seite stehen. Ein Ratgeber für Mütter, Väter und andere Bezugspersonen von jugendlichen Mädchen und Jungen, die sexuelle Gewalt erlebt haben. https://allerleirauh.de/allerleirauh/wp-content/uploads/2018/06/PDF3_ZurSeiteStehen.pdf (09.01.2020).

Dornrose e.V. (Hrsg.): Sexuelle Übergriffe unter Kindern. https://dornrose.de/spezielle-themen/sexuelle-uebergriffe-unter-kindern/ (09.01.2020).

Klees, Esther/Kettritz, Torsten: Sexualisierte Gewalt durch Geschwister. Praxishandbuch für die pädagogische und psychologisch-psychiatrische Arbeit mit sexualisiert übergriffigen Kindern/Jugendlichen. Lengerich: Pabst-Verlag.

Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Sexuelle Übergriffe zwischen Kindern und Jugendlichen. Orientierungsleitfaden zum Erkennen, Stoppen, Verhindern im Rahmen erzieherischer Hilfen. https://lvwa.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/LVWA/LVwA/Dokumente/pressestelle/publikationen/broschueren/missbrauchsbuch.pdf (09.01.2020).